Die Teilnahme an Architekturwettbewerben ist ein dynamischer und anspruchsvoller Prozess, der sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringt. Wettbewerbe bieten Architekt*innen eine Plattform, kreative Ideen zu entwickeln, die über das Alltägliche hinausgehen, und sich dabei mit spannenden und oft komplexen Aufgabenstellungen auseinanderzusetzen. Doch sie sind auch ein Tanz auf einem schmalen Grat zwischen Erfolg und Misserfolg.
Wettbewerbsaufgaben sind häufig durch zahlreiche Zwänge und Einschränkungen geprägt – sei es durch Vorgaben des Städtebaus, Budgetlimits oder technische Anforderungen. Doch gerade diese Einschränkungen fordern dazu heraus, innovative Lösungen zu finden. Die Herausforderung liegt darin, innerhalb dieser engen Grenzen Raum für Kreativität zu schaffen. Dieser Prozess zwingt dazu, die Stärken des Projekts besonders klar herauszuarbeiten, um den Vorgaben gerecht zu werden und gleichzeitig ein überzeugendes architektonisches Konzept zu entwickeln.
Ein Beispiel für solche Zwänge könnte eine komplexe Baugrundstückgeometrie sein, die scheinbar wenig Spielraum für Gestaltung lässt. Doch gerade hier zeigt sich die Innovationskraft, indem unkonventionelle Lösungen erarbeitet werden – sei es durch geschickte Anordnung der Baukörper, clevere Raumkonzepte oder den Einsatz nachhaltiger Materialien. Einschränkungen werden so zu einem Motor für Kreativität und Exzellenz.
Ein weiterer entscheidender Aspekt der Wettbewerbsbearbeitung ist der Austausch mit den anderen planungsbeteiligten Disziplinen. Von Landschaftsarchitekt:innen über Tragwerksplaner*innen bis hin zu Fachingenieur*innen: Nur wenn die Chemie und das Engagement im Team stimmen, können herausragende Entwürfe entstehen. Wettbewerbsbearbeitung ist ein interdisziplinärer Prozess, bei dem jede:r Beteiligte ihren oder seinen Beitrag zum Erfolg leistet.
Diese Zusammenarbeit erfordert Offenheit, Kommunikationsstärke und die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren. Oft entstehen die besten Lösungen gerade aus Reibungspunkten: Wenn etwa ein Tragwerksplaner eine alternative Statik vorschlägt, die eine andere Fassadengestaltung erfordert, oder wenn die Ideen der Landschaftsarchitekt*innen den Innenraumkonzepten eine neue Richtung geben. Der Dialog und die iterative Arbeitsweise sorgen dafür, dass der Entwurf immer weiter geschärft wird.
Auch wenn nicht jeder Wettbewerbsbeitrag mit einem Preis ausgezeichnet wird, ist der Prozess der Teilnahme eine wertvolle Erfahrung. Architekt*innen können ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen, neue Techniken und Materialien ausprobieren und ihre Entwurfskompetenz weiterentwickeln.
Darüber hinaus bietet die Analyse von Juryentscheidungen wichtige Erkenntnisse. Welche Entwürfe wurden prämiert und warum? Welche Aspekte des eigenen Entwurfs könnten in Zukunft stärker betont werden? Diese Reflexion trägt dazu bei, die eigene Arbeitsweise zu verfeinern und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu verbessern.
Trotz aller Herausforderungen bleibt die Arbeit an Wettbewerben ein faszinierender Prozess. Sie fordert dazu auf, Visionäres mit Pragmatismus zu verbinden, kreative Ideen zu entwickeln und gleichzeitig strengen Vorgaben zu folgen. Sie bietet Architekt*innen die Chance, ihre Handschrift zu zeigen und neue Wege zu gehen.
Wettbewerbe sind somit nicht nur ein Mittel, Aufträge zu gewinnen, sondern auch eine Möglichkeit, das eigene Potenzial voll auszuschöpfen und einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Architektur zu leisten. Die Teilnahme ist ein ständiger Lernprozess, der Kreativität, Teamarbeit und den Mut erfordert, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen.
Ein herausragendes Beispiel für eine spannende Wettbewerbsbearbeitung ist der Neubau der Firmenzentrale Gustav Epple in Stuttgart-Degerloch, an dem ich während meiner Zeit bei a+r Architekten mitwirken durfte. Die komplexe Grundstücksgeometrie erforderte ein Konzept, das sowohl gestalterisch als auch funktional überzeugte. Das Ergebnis war ein kraftvoller, monolithischer Baukörper aus Dämmbeton mit einer markanten, abgerundeten Dreiecksform. Das Herzstück, die „Epple Arena“, schuf einen zentralen Kommunikationsraum, der Architektur und Unternehmensphilosophie perfekt miteinander verbindet.
Nicht jeder Wettbewerb endet mit einem Erfolg. Doch gerade aus den Misserfolgen kann man wertvolle Lektionen ziehen. Ein nicht prämierter Entwurf kann neue gestalterische Ansätze aufzeigen, technische Innovationen hervorbringen oder zu einer verbesserten Arbeitsweise führen. Diese Erfahrungen sind essenziell, um sich weiterzuentwickeln und in zukünftigen Projekten noch überzeugendere Konzepte zu entwickeln. Im Entwurfsprozess werden Grundsatzentscheidungen getroffen, die man für richtig hält. Hier kann man natürlich komplett falschliegen. Eine Grundsatzentscheidung entsteht aus tiefer Überzeugung und reflektierter Analyse des Entwurfs. Misserfolge lehren uns, kritisch auf die eigenen Entwürfe zu blicken und sie in einem größeren Kontext zu reflektieren.
Die Arbeit an Wettbewerben bleibt spannend und herausfordernd. Sie ist geprägt von einem ständigen Wechsel zwischen intensiver Konzeption, Zusammenarbeit im Team und der Auseinandersetzung mit externen Feedbacks. Erfolg oder Misserfolg – beides trägt dazu bei, die eigene Haltung zu schärfen und als Architekt*in zu wachsen.